Kinder wie die Zeit vergeht – 10 Jahre in EVE

Die alte und neue Darstellung des EVE Online Characters JezajaJezaja

Kinder wie die Zeit vergeht. In dieser Woche wird mein Charakter Jezaja 10 Jahre alt. Ich habe mich mal hingesetzt und überlegt wie und warum das damals alles angefangen hat. Setzt Euch, nehmt einen Tee und lauscht gespannt…

Es ist der September 2010. Ich bin noch kein Internet Raumschiff-Kapitän und erst recht kein Blogger.

Und ich bin nackt.

Ich sitze in einer finnischen Sauna und habe vor einigen Tagen den Polarkreis überquert. Genauer gesagt bin ich gerade in Kilpisjärvi. Das liegt fast 3000 km von meinem eigenen Zuhause in Deutschland entfernt und mit dem Auto würde es sicher 5 Tage brauchen um dorthin zu gelangen.

Mit dem Flugzeug und anschließend mit dem Auto habe ich nur zwei Tage gebraucht. Aber…so sehen irgendwie alle meine Urlaube aus, wenn ich mal überhaupt Urlaub mache. Pauschaltourismus liegt mir nicht.
Bekannte haben mich zum Wandern eingeladen und ich habe nicht lange überlegt, als ich die Einladung angenommen habe. Und nun sitzen wir da zu Dritt mit Makkara und Oluet, dem finnischen Pendant zu Würstchen und Bier – was wortwörtlich eigentlich dasselbe ist.

Obwohl die Finnen ja eher schweigsam sind, haben wir ein Thema, über das wir uns schon seit Tagen angeregt unterhalten. Es gibt da dieses Online-Spiel, das von Isländern entwickelt wird und verdammt schwer und komplex sein soll.

Das Spiel heißt EVE Online. Ich kenne es, denn einige Monate zuvor habe ich einen Trailer gesehen und fand ihn unglaublich spannend.
Meine beiden Bekannten erzählen mir von großen Schlachten, Verrat und einem Universum in der ein einzelner Spieler entweder nur ein kleines Zahnrad sein kann, oder der Sand im Getriebe, der mit einem Knopfdruck ganze Imperien zu Fall bringt.

Meine Online-Spiel Erfahrungen erstreckten sich bisher nur auf World of Warcraft, dass ich seit der Beta gespielt und dann mit dem Fall des Lichkönigs Arthas als Kapitel für mich abgeschlossen habe. Es war eine spannende Erfahrung für mich, den damaligen Schritt vom Single-Player hin zu einem Multiplayer-Spiel zu machen.
Es war eine spannende Erfahrung zum ersten Mal Spieler zu sehen, die sich über das eigentliche Online-Spielgeschehen hinaus gemeinsam trafen, Lieder zu IHREM Spiel sangen oder FanFiction schrieben, die von spannenden Heldengeschichten bis hin zu lasziver Erotik so ziemlich alles enthielt, wofür sich die Community begeistern konnte. Wenn ich mal nicht den Heiler in irgendeiner Raid-Instanz spielen musste, lauschte ich den WoW-Fan-Songs von “Cuirina”, die zwar nicht immer sehr schön, dafür aber mit viel Überzeugung und Herz gesungen waren. Jan Hegenbergs “Die Horde rennt” war ziemlich martialisch aber trotzdem irgendwie cool. Und natürlich unvergessen die Videos von Tauren-Krieger Swifty und die legendären Allimania-Hörspiele und Machinimas.

Ein besonderes Ereignis in World of Warcraft möchte ich hier noch nennen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, um meine Begeisterung für EVE Online zu verstehen.

In World of Warcraft gibt es einen Stab mit dem Doppelnamen Benediction/Anathema, der nur für Priester gemacht ist. Frei nach dem Motto “der Weg ist das Ziel”, müssen Spieler zunächst zwei einzelne Gegenstände finden um die Hauptquest zu absolvieren und endlich den ersehnten Stab in den Händen zu halten.

Das Auge des Lichts und das Auge der Schatten. Das Auge des Lichts gab es beim Major Domus, einem Boss in der Raid-Instanz “Molten Core”. Der Weg dahin war relativ lang. Für jeden Schlachtzug gab es die sogenannten DKP – Dragon Kill Points, die natürlich fein säuberlich protokolliert wurden. Nach rund 3 Monaten hatte ich endlich genug DKP zusammen, um den ersehnten Loot zu ersteigern.
Das Auge der Schatten wiederum war ein Beutegegenstand, den Dämonen in Winterspring im hintersten Teil des Kontinentes Kalimdor zu einer lächerlich niedrigen Rate fallen ließen. Es waren Elite Dämonen und alleine war die Aktion als Stoffträger sehr nah an “total unmöglich”. Zusammen mit einem Freund farmte ich dort also 5 Tage lang, jeden Abend nach dem Auge der Schatten, bis ich es endlich einem Dämonen abnehmen konnte. Wenige Tage später hatte ich auch die Hauptquest erfüllt und war stolzer Besitzer des Stabes mit den zwei Gesichtern.
Beharrlichkeit waren also der Schlüssel zu diesem kleinen aber für mich besonderen Erfolg, einen Erfolg, den zu dieser Zeit nur rund 5% aller Priester auf meinem Server erreicht hatten.

Nachdem ich also den Stab meines Priester in die Ecke gestellt habe, verging rund ein Jahr bis zu jener denkwürdigen Nacht in Lappland.

Kaum war ich aus Finnland zurück, erstellte ich mir mit Hilfe des Buddy-Programms im damaligen eveger.de Forum meinen EVE Online Account.

EVE Online Charakter vor dem Rework
Jezaja 2010

Jeder von Euch kennt bestimmt diese Neustartgefühl, wenn man ein neues Spiel anfängt und – obwohl man noch gar nicht weiß, ob es einem gefällt, möglichst alles perfekt und richtig machen möchte.
Und so quälte ich mich durch die Karriereagenten und anschließend durch die Epic-Arc von Sister Alitura. Spätestens hier wurde mir klar, wie groß EVE Online eigentlich ist. Und – spätestens hier habe ich auch verstanden, was es bedeutet mit so vielen Spielern auf einem einzigen Server zu spielen.

Relativ schnell war für mich klar, dass ich erst einmal Miner werden wollte und tolle Sachen produzieren möchte. Für mich war das die offensichtlichste Methode um ISK zu erwirtschaften. Das wie und warum war für mich leider nicht so offensichtlich.
Mit einer Iteron IV und einem Mininglaser ausgestattet machte ich mich also auf und stellte mich motiviert in einen Asteroidengürtel. Mit einer Iteron IV und einem Mininglaser.
Auch ich habe also am Anfang ziemlich dämliche Fehler gemacht und mache sie auch heute noch. So fand mich dann auch ein anderer Spieler. Mit einem ziemlich rüden “Du machst das falsch” versorgte er mich den Rest des Abends mit Informationen. Einen Tag später war ich Mitglied in meiner ersten Spieler-Corporation.

Ungefähr zur selben Zeit habe ich dann auch mein erstes Schiff an einen anderen Spieler verloren. An den Teufel persönlich, wenn man es so nimmt, denn Shuitan bzw. Shaitan bedeutet im arabischen ”Satan” oder “Teufel”.
https://zkillboard.com/kill/15040619/

Es war die Zeit noch vor der Security-Ampel und die einzige Sperre, die mich davor abhalten konnte etwas Dummes zutun, war ein Dialogfenster, das ich natürlich weggeklickt habe. Der gelb blinkende Newbie in einem Papierschiff in irgendeinem Belt in Aice war dann wohl die perfekte Einladung.

Weil die Zeitzone mich und meine Corporation trennte, beschloss ich ich nach einer deutschsprachigen Corporation umzusehen. Relativ schnell fand ich eine und verbrachte dort rund ein Jahr, in der ich nicht nur das Spiel immer mehr entdeckte und die wichtigsten Basics lernte, sondern auch die coole Community drumherum.

Da war zum Beispiel dieser Kurzgeschichten-Wettbewerb im ehemaligen Forum von eveger. Weil ich schon damals gerne geschrieben habe, habe ich natürlich daran teilgenommen. Zu meiner Überraschung gewann ich den ersten Preis und einer der Jury-Mitglieder hat so eine coole Rezension und Bewertung meiner Kurzgeschichte “Fehler im System” geschrieben, das ich von da an regelrecht angefixt war.

Nerewar Dwemor, selber Blogger, ermunterte mich mit dem Schreiben weiterzumachen und spontan erstellte ich meinen Blog.
Jezaja’s Giant Secure Container war geboren. Am Anfang habe ich eher spontan geschrieben. Immer wieder dazwischen gab es auch Beiträge zu meinem alten Hobby “Reenactement”. Irgendwann habe ich die aber auf einen anderen Blog ausgelagert und nur noch EVE Sachen in den Giant Secure Container Blog geschrieben. Dafür wurden diese Sachen zunehmend umfangreicher und neben den üblichen Kampf- oder Erkundungsberichten gesellten sich schnell Blogposts zum Rollenspiel hinzu.

Auch Themen, die tiefer in das Meta und politische EVE-Dinge gingen fanden ihren Einzug in meinen Blog und verursachten tatsächlich den einen oder anderen Skandal.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an Charadrass und unsere Meinungsverschiedenheit ob Input-Broadcasting nun ein unfairer Vorteil gegenüber anderen Spielern ist oder nicht.
Ich gebe zu, dass ich in diesem Jahr zum ersten Mal darüber nachgedacht habe mit dem Bloggen aufzuhören.

Als CCP irgendwann offiziell diese Haltung einnahm und das “Deutsche Incursion netzwerk” DIN mit großen Wehklagen und Gejammer seinen eigenen Untergang im EVE Online Forum beweinte, war ich schon lange aus dem Incursions-Business raus. Trotzdem fühlte es sich doch irgendwie an, wie ein später Sieg.

Jezaja sends his regards…

ein EVE Online Charakter aus der Gallente Miliz
Jezaja 2020

In New Eden habe ich so ziemlich alles gemacht, was man machen kann. Ja, dazu gehören auch Scamming und Ganken, aber wir wissen ja alle, dass man das volle Wesen DER MACHT nur dann erforschen kann, wenn man sie von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet. Übrigens ist das auch einer der Gründe, warum ich mir gelegentlich die Freiheit herausnehme über die faulen HighSec-Carebears, die dummen 0.0 oder andere Bewohner New Eden’s zu schreiben. Ich selbst habe schon in allen Bereichen gelebt. Seit 5 Jahren bin ich im Faction Warfare und LowSecurity aktiv. Hier begeistert mich vor allem die Mischung aus PVP und PVE und die Möglichkeiten, die der LowSec insgesamt bietet. Hier gab es immer wieder großartige Blogbeiträge. Vielleicht wird es ja jetzt endlich Zeit meinen Spielstil ein wenig zu ändern? Ich überlege erstmal noch…ihr kennt mich.

Und immer wieder die Community.
Öffentliche Flotten, Bilder-Battles, FanFiction-Wettbewerbe, großartige Filme, Propaganda für die Powerblocks. Da wo es mir zeitlich gepasst hat und ich einen reale Chance sah, habe ich fast immer teilgenommen – hauptsächlich motiviert durch die unglaubliche Begeisterung, die andere Spieler für ihre Projekte aufgebracht haben. Hin und wieder habe ich sogar tatsächlich auch mal etwas gewonnen. Zuletzt übrigens Kira Hhallas FanFiction Contest mit der Kurzgeschichte “Veles”. Bei der Vertonung haben mir Carl Lauer und Alana Alishee von podlinge.de geholfen, wofür ich sehr dankbar war. Die “German Gank Night”, die G-Force Flotten und andere Veranstaltungen waren feste Termine in meinem Kalender. Heute sind es die DEUComm-Flotten und Veranstaltungen, bei denen ich von Zeit zu Zeit auch mal mitfliege.
Alles so wie immer?
Nein, natürlich nicht. Sowohl EVE als auch die Spieler haben sich stark verändert. Der Einstieg in EVE ist deutlich einfacher geworden. Es gibt extra ein Team um die “New Player Experience” zu verbessern und insgesamt ist die früher so steile Lernkurve von EVE deutlich abgeflacht. Leider. Denn leider ist bei den neuen EVE Spielern auch die Aufmerksamkeitsspanne deutlich abgeflacht. Und so muss CCP den Spagat zwischen den Veteranen hinbekommen und schiebt Anfängern gleichzeitig unglaublich viele Skillpunkte kostenlos in den Hintern, die man Aktionsweise sogar kaufen kann. Das war schon eine Enttäuschung. Genauso wie das Monocle-Gate und ein Shooter im EVE Universum und viele andere Projekte, die im Laufe der Zeit kurz mal da waren. Aber vielleicht war auch das eine Lebenslektion, die ich irgendwie in den letzten 10 Jahren lernen musste.

An dieser Stelle ist vielleicht auch Raum anzumerken, dass das Thema “Streaming” damals noch nicht existierte. Auch Youtube war relativ neu und die meisten Videos von EVE Online mussten über eve-files.com herunter bzw. hochgeladen werden. Am Anfange waren also geschriebene Sachen deutlich verbreitet, später kamen noch Podcasts hinzu und schließlich irgendwann Youtube und Twitch. Mit den Erscheinen dieser “neuen Medien” ist vor allem zu beobachten, dass die “alten” Dinge eher verschwinden und vor allem auch ein Verhalten an den Tag tritt, dass immer mehr Unmut in mir hervorruft. Aber das ist eigentlich ein ganz anderes Thema.
Auch ich gehe mit der Zeit und wer will kann meine Blogposts und Kurzgeschichten als Lesung auf dem GiantSecureContainer Blogcast Kanal auf youtube nachhören. Vielleicht mache ich auch irgendwann mal eine Lesung im Live-Stream auf Twitch. Vor dem Kamin, mit Katze und Wolldecke auf den Beinen. Und Tee.
Apropos Katzen: Wer ingame meine Biographie anschaut, sieht dort den allerersten Kater, den wir damals hatten und mit dem mich ein ganz besondere Beziehung verbindet. Heute ist er tot, ich habe geheult wie ein Schlosshund und für ihn mein erstes Cyno in New Eden gezündet. Es folgten weitere.

Eigentlich wollte ich hier einen Meilenstein nach dem anderen auflisten, aber tatsächlich sind es so viele Sachen, dass ich mir gerade vorkomme wie ein echter Veteran, der von Höcksken auf Stöcksken kommt und in romantisierten Erinnerungen schwelgt. Für den melancholischen Rückblick eignet sich so ein Blog ziemlich gut.
Da war zum Beispiel die Verteidigung von J142941, zu der wir ein eigenes Video gemacht haben, dass vom Storytelling die schon damals legendären Rooks & Kings Videos nachgeahmt hat. Oder die unterschiedlichen GamesCom Treffen, später die G-Fleet und natürlich mein persönliches Highlight das Fanfest 2017 in Island. Zuletzt war ich 2019 bei EVE Amsterdam und habe zwischen van Gogh und Rijksmuseum auch eine ordentliche Portion EVE-Nerdism abbekommen.
Da waren die zahlreichen Personen, die keine EVE Berühmtheiten waren, aber dennoch jeder für sich ganz außerordentliche Charaktere. Und ich muss sagen, dass ich (fast) jeden wirklich gern gemocht habe. Viele sind irgendwann abgebogen und haben sich andere Felder in EVE gesucht, oder ganz aufgehört. Zu einigen habe ich aber auch heute noch Kontakt, obwohl sie schon lange kein EVE mehr spielen. Durch jeden Einzelnen habe ich gelernt, dass die wertvollste Währung in EVE nicht ISK, sondern Vertrauen ist.

Was bringt wohl die Zukunft und wo geht es hin?
Ehrlich gesagt weiß ich das noch nicht. Glücklicherweise, denn sonst wäre es natürlich ziemlich langweilig. EVE werde ich aber weiterhin spielen.

Viele Danke an alle Weggefährten und Feinde, die mich in diesen 10 Jahren EVE Online begleitet haben!

 

Fly safe

Jezaja

4 Gedanken zu „Kinder wie die Zeit vergeht – 10 Jahre in EVE“

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