Du musst hier nicht 100mal ‘nen Baum fällen…

Manche Sätze die in den EVE Online Chats über den Bildschirm flimmern, bleiben irgendwie im Gedächtnis hängen. Und dabei sind es nicht immer die populären über eine “dark harsh world” oder “Don’t fly what you can’t afford to loose”, sondern gelegentlich auch die eher unscheinbaren Bemerkungen, die EVE in ganz besonderer Weise beschreiben können.

Achtung, es wird heute ein wenig philosophisch, inklusive einiger Gedankengänge, die vielleicht ins Leere führen. Über eure Kommentare (und Reflektionen) freue ich mich daher besonders.
Wenn Du keine Lust darauf hast, kann ich diesen interessanten Ausflug nach Wicked Creek zum Lesen empfehlen.

Manchmal liest man irgendwo einen Satz, der noch Tage später irgendwie im Gedächtnis hängen bleibt. Manche Aussagen treffen direkt ins Schwarze und regen etwas zum Nachdenken an.

Du musst hier nicht 100mal ‘nen Baum fällen, es reicht wenn Du Du bist.

Das Skillsystem in EVE ist besonders. Weil bekanntlich alles über die echte Zeit und nicht investierte Zeit läuft, bricht dieses Konzept mit Spielmechaniken, die viele Leute aus anderen MMOs kennen. In EVE müssen keine 100 Bäume gefällt werden um Tree chopping V zu skillen. Es reicht einfach, wenn ein Charakter existiert, um ein Teil von New Eden und des Spiels “EVE Online” zu sein. Wow – was für ein beeindruckendes und fröhliches Statement in der sonst so dystopischen Welt von EVE Online!

Die Skillpunkte in EVE definieren einen Piloten. Viele Punkte in Navigation und Gunnery bedeuten, dass es vielleicht ein PVP Spieler ist. Ein Peak in Mining, Research und Production sind ein klarer Beleg dafür, dass der Spieler auf die Industrie ausgerichtet ist. Ein Spieler der beides geskillt hat, hat bestimmt eine Veränderung seines Spielstils vorgenommen. So wie ich zum Beispiel. In jedem Fall erzählen die Skills und Skillpunkte eines Charakters seine Geschichte, eine Geschichte, zu der ich immer wieder zurückkehren kann.

Die täglichen Skillpunkte, die meinem Mainchar nun fast 10 Jahren ins Gehirn tropfen, sind sehr beruhigend. Ich habe nicht das Gefühl abgehängt zu werden, wenn ich mal ein paar Tage oder Wochen nicht einlogge. Jezaja lernt einfach immer weiter und die Skillqueue ist für die nächste 480 Tage gut gefüllt.
Wenn ich das nächste Mal einlogge, kann ich dann schon die nächst “beste” Schiffsklasse fliegen. Aber als EVE Spieler weiß ich auch, dass ich eine Fregatte genauso gut oder schlecht fliegen kann, wie ein jüngerer Spieler, der im Fregattenbaum dieselben Skills hat. Medium Blaster Spezialisierung V hilft mir da einfach nicht, obwohl das satte 1 Millionen Skillpunkte mehr auf dem Konto sind. Den Kampf würde ich aber sehr wahrscheinlich trotzdem gewinnen. Weil ich mehr Erfahrung habe. Weil ich weiß, wie ich mein Schiff fitten muss, wann ich überhitzen sollte und welche Munition die Beste ist.

Was ist dann also der entscheidende Faktor? Zeit? ISK? Erfahrung?
Gar nichts davon und alles davon.
Skillpunkte in EVE erreichen wir als Spieler entweder durch Warten oder durch ISK, indem wir einen hochgeskillten Charakter auf dem Char-Bazar kaufen oder mit Skillinjektoren nachhelfen. Einen guten Spieler kann man so von einem schlechten Spieler nicht mehr unterscheiden. Auf dem Papier können zwei Leute die gleichen Skills haben und trotzdem unterschiedlich erfolgreich sein in EVE Online. Die üblichen Zahlen, die für den Vergleich herangezogen werden, kann man also nur in Kombination betrachten. Egal wie man es hält, zuletzt ist es immer die bereits gemachten Erfahrungen, die verlorenen Schiffe und Freundschaften, die einen Spieler “erfolgreich in EVE” machen – oder auch nicht. Ganz davon abgesehen: Wer definiert eigentlich was Erfolg ist?

Ein gutes Beispiel dafür habe ich vor ein paar Tagen im Teamspeak getroffen.
Da erzählte ein Spieler, dass die riesige Supercapital-Flotte seiner Allianz jetzt verlegt wird. Und die Armor-Schiffe bleiben erstmal zuhause, die Schild-Doktrin will man für das Deployment einpacken und in das Kriegsgebiet verlegen.
Der Spieler kam aus dem Erzählen gar nicht mehr heraus. Ohne Frage, ich gönne ihm den Reichtum, den er über die Jahre angehäuft hat. Dennoch habe ich gemerkt, wie ich einfach “abgeschaltet” habe und seine Ausführungen nur noch mit “Hm”, “Ja, cool” kommentiert habe.
Die Schublade “F1-Drohne” war in diesem Fall für meinen Gast im Teamspeak geöffnet und mit heimlicher Genugtuung habe ich ihn auch genau dort hineingeschoben – einfach weil wir unterschiedliche Maßstäbe für “Erfolg in EVE” angesetzt haben. Er sprach von seinem Reichtum und der massiven Präsenz seiner Allianz und den zahlreichen gewonnen Schlachten, ich hingegen habe ihn nach den Maßstäben meines eigenen Spielstils beurteilt und mich mit ihm verglichen.

Ein weiteres Beispiel für die völlig unterschiedliche Wahrnehmung und persönliche Definition von Erfolg war die folgende Situation. Ich habe mich über einen Streamer geärgert, der in seinem Stream “HUGE amount of ISK” erwirtschaftete, aber sein Schiff an einem Sternentor verlor, weil er die Spielmechaniken dort nicht kannte.
Für ihn war es wichtig im Tier5-Status der Caldari möglichst viele LP zu erwirtschaften und sich über dieses Einkommen zu definieren und zu freuen.
Mir persönlich war es völlig unverständlich, wie er sich im LowSec / Faction Warfare bewegen konnte, ohne Ahnung von einer Basismechanik des Spiels zu haben. Mein ungläubige Bemerkung dazu quittierte er natürlich mit einem Chat-Bann.

Das waren ein paar Gedanken. Ich bin ziemlich vom Weg abgekommen aber immerhin bei einer wichtigen Erkenntnis angekommen.
In EVE muss man nicht einhundert Bäume fällen, es reicht, wenn man seine eigene Freude am Spielspaß entdeckt.
Ich gebe zu: Für diese Erkenntnis und die Gelassenheit jedem seinen Spielstil zuzugestehen habe ich jetzt auch ein paar Jahre gebraucht…

Fly safe

Jezaja

PS:
Der Spruch, der dem Blogpost seinen Namen gegeben hat, stammt übrigens aus dem Hilfe-Channel. Dort sorgen viele Spieler täglich dafür, dass alle möglichen N00b-Fragen beantwortet werden. Danke dafür!

5 Gedanken zu „Du musst hier nicht 100mal ‘nen Baum fällen…“

  1. Mein persönlicher Favorit:
    You can buy skillpoints, but you cant buy skill.

    Im Grunde spielt jeder Eve wie er es am besten findet, egal ob als F1 Drohne (was trotzdem echt spannend sein kann wenn der oder die FC wissen was er oder sie tun) oder als kleiner HighSec Streamer der sich über einen geplatzen Mondbrocken freut. Die Sandbox ist gross genug, für die meisten Spielweisen. Selbst für unsere ISK-verdoppelnden Freunde im Jita Local.

    10 Jahre bald? Mein älterster Char ist von 2007, jedesmal wenn ich drüber nachdenke fühl ich mich so alt 😂

    1. Oh ja. Mittlerweile erwische ich mich immer wieder dabei, dass ich wie so ein alter Mann an meinem Schreibtisch sitze und über “alte Zeiten” sinniere.

  2. Hallo Jezaja,

    Schön zu lesen, dass es in EVE Spieler mit dieser Erkenntnis gibt, auch wenn sie offensichtlich sehr selten ist. Eine Menge Zoffereien, in EVE theatralisch Drama genannt, entstehen meiner Beobachtung nach genau aus dieser Unfähigkeit heraus anderen ihre Sicht der Dinge lassen zu können.

    Stimmt in EVE muss man nicht 100mal nen Baum fällen, aber je nachdem 100mal die Damsel retten 😉

  3. Pingback: Steht doch da! – Jezaja’s Giant Secure Container

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